Warenkunde: Tweed
Teilen

Du bist auf der Suche nach spannenden Infos zum Thema «Tweed»? Hier erfährst du alles, was du über diesen Stoffklassiker wissen musst und warum er die perfekte Ergänzung für deinen Kleiderschrank darstellt.

Very britisch – Geschichten rund um den Tweed

Eine kleine Sensation war es schon, was die Grande Dame der Mode, Coco Chanel, in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts den eleganten Pariserinnen präsentierte: Ein Kostüm in dem für die Designerin typischen Schnitt mit gerade geschnittener Jacke und ausgestelltem Rock aus dem Männerstoff Tweed. Über Generationen hinweg wurden aus dem derben Wollstoff strapazierfähige, wärmende, Wind und Wasser abweisende Kleidungsstücke hergestellt, die dem zuweilen rauen Klima in Teilen Großbritanniens und Irlands trotzten. Ein Gewebe für Bergleute, Fischer und Bauern, für Männer, die einen Großteil ihres Daseins mit harter Arbeit unter freiem Himmel zubrachten. Diesen Stoff nun brachte Coco Chanel in die vornehmen Pariser Salons. Weicher geworden im Griff, doch immer noch von körniger Struktur und ländlich anmutend, sollte er jetzt die Frauen auf ihrem Weg in die Arbeits- und Geschäftswelt begleiten.

Donald John Mackay, Harris tweed weaver, Luskentyre, Isle of Harris. Pic by Leila Angus (C) Brighter Still Tel: 01851 700 498

Die Geschichte des Tweeds beginnt auf den grünen Weiden Englands, Schottlands und Irlands, auf denen seit der Zeit der römischen Besatzung Schafe zur Wollgewinnung gehalten werden. Kleidung aus Wolle bietet viele Vorteile: Das Rohmaterial ist leicht zugänglich und kann mit einfachen Mitteln verarbeitet werden; Textilien aus Wolle saugen Wasser auf, ohne sich nass anzufühlen, halten den Wind ab, wärmen im Winter und kühlen im Sommer.

Vom tweele zum handgewebten Klassiker

Der ursprüngliche Name für Tweed war wohl tweele, das schottische Wort für Twill. Um das Jahr 1830 erschien in der Zeitschrift Windsor Revisited ein Artikel, der von einem Londoner Kaufmann berichtete, der einen Geschäftsbrief aus Schottland erhielt, in dem von tweele, also allgemein von Twillstoffen die Rede war. Der Kaufmann las aber nicht tweele, sondern Tweed und ging davon aus, dass es sich dabei um den Markennamen eines bestimmten Stoffes handelte, der an den Ufern des nordenglischen Flusses Tweed hergestellt wurde. Tatsächlich bildet der Fluss Tweed an seinem Unterlauf die Grenze zwischen England und Schottland und markiert damit eine der Hauptproduktionsstätten von Tweed im Norden Großbritanniens.

Heute bezeichnet „Tweed“ in der Regel einen handgewebten, köpergebundenen Stoff mit unregelmäßig eingestreuten Noppen; Köper oder auch Twill ist neben Leinwandbindung und Atlas eine der drei Grundwebstrukturen. Twill ist am schräg verlaufenden Grat zu erkennen, besonders deutlich im sogenannten Fischgratmuster, englisch Harringbone. Als Handstrickgarn wird Tweed erst seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts verwendet.

Der einzigartige Prozess hinter dem Tweed

Als Ausgangsmaterial für den Tweed nahm man die Wolle heimischer Schafe; ein Teil der Wolle wurde im Naturzustand belassen, ein anderer Teil mit pflanzlichen Farben eingefärbt, die aus Moosen, verschiedenen Flechten und Beeren gewonnen wurden. Ungefärbte und gefärbte Wolle wurde gemischt und für das Spinnen vorbereitet. Dann wurde das Garn auf altertümlichen Handwebstühlen gewoben. In einem letzten Schritt schließlich wusch man den Tweed aus, der so eine dichte, leicht angeraute Struktur erhielt. Auch wenn Tweed in vielen Teilen Großbritanniens und Irlands gefertigt wurde, so ist doch schottischer Tweed, und hier wieder besonders die Marke „Harris Tweed“ der Äußeren Hebriden, am populärsten. Hinter dieser Popularität steht eine Geschichte von einem autonomen Leben auf kargen Inseln, von Entbehrungen und Not, aber auch von neuer Hoffnung und bescheidenem Wohlstand.

Der Wandel im Weben

Tweed wird seit Jahrhunderten in Schottland hergestellt. An einfachen Webstühlen entstanden wetterfeste, haltbare Kleidungsstücke für den Eigenbedarf oder den lokalen Markt. Mit Beginn der Industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Weben von Hand zunehmend unrentabel, mechanische Webstühle machten eine Heimindustrie überflüssig. Die Stoffproduktion nahm rapide zu, Kleidung wurde zwar immer noch zu Hause mit der Hand genäht, doch konnten fertig gewebte Stoffe jetzt zu günstigen Preisen gekauft werden. Familien, die mit dem Weben ihren Lebensunterhalt verdienten, gerieten in Not. Lediglich auf den Inseln der Äußeren Hebriden, vor der Westküste Schottlands gelegen, wurde nach wie vor von Hand an einfachen Holzwebstühlen gewebt.

Von Selbstversorgung zur Tweedprduktion

Die Inseln Lewis und Harris, Uist und Barra waren schon früh für die Qualität ihres Tweeds bekannt. Auf den gebirgigen, weitgehend baumlosen Inseln im Nordatlantik mit ihrem kühlem und feuchten Klima ließ sich keine Landwirtschaft in großem Umfang betreiben. Die Menschen lebten neben wenigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Kartoffeln hauptsächlich vom Fischfang und von der Schafzucht. Die Wolle der Tiere wurde zu strapazierfähigen Stoffen mit den typischen farbigen Sprenkeln verarbeitet. Von einer regelrechten Wollindustrie konnte, trotz der anerkannten Qualität der Tweedstoffe, bis Mitte des 19. Jahrhunderts keine Rede sein. Wie von jeher spannen und woben die Inselbewohner hauptsächlich für den eigenen Gebrauch.

Dann warf ein Naturereignis das einfache, aber doch unabhängige Leben der Menschen auf den Hebriden aus der Bahn – die Kartoffelfäule. Wie schon einige Male zuvor seit der Einführung der Kartoffel aus der Neuen Welt nach Europa wurde in den schottischen Highlands und den Küstenregionen in den Jahren 1846-52 die gesamte Ernte vernichtet, eine Katastrophe für Völker, deren Grundnahrungsmittel Kartoffeln sind. Eine Hungersnot brach herein, in deren Folge knapp 1,5 Millionen Menschen ihre Heimat Schottland verließen.

Vom lokalen Markt bis nach London

Auch die Hebriden waren von der Fäule betroffen; konnten die Bewohner dort sich bislang mit den meisten Gütern selbst versorgen, so musste jetzt für teures Geld Getreide zugekauft werden. Eine Situation, die viele Familien in ihrer Existenz bedrohte. Die Rettung kam in Gestalt von Catherine Murray, Countess of Dunmore. Nach dem Tod ihres Mannes erbte Lady Dunmore ausgedehnte Ländereien auf Harris. Sie erkannte rasch das wirtschaftliche Potenzial der dort hergestellten Stoffe und machte sich an deren Vermarktung. Der erste Auftrag an die heimischen Weber war die Anfertigung eines Kiltes in den Farben des Murray-Clans. Nach und nach kamen weitere Aufträge aus dem Freundeskreis Lady Dunmores, und die Nachfrage erreichte das Festland. Zu der Zeit waren die Konsumenten bereits an die gleichbleibende Qualität maschinell hergestellter Kleidung gewöhnt, sodass auch für die handgewebten Stoffe Qualitätsstandards festgelegt werden mussten, um marktfähig zu sein. Lady Dunmore organisierte und finanzierte den Webern entsprechende Schulungen und bald schon wurde Harris Tweed auch in London gehandelt.

Die Geburt der Qulitätsstandards: Der Harris Tweed Act

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts begann die Produktion auf Lewis und Harris (es handelt sich hier um eine Insel mit dem nördlichen Teil Lewis und dem südlichen Teil Harris) rapide anzusteigen. Doch Erfolg macht leichtsinnig. Als die Nachfrage nach Tweedstoffen immer größer wurde, begann man auch auf den Inseln der Hebriden mit der maschinellen Produktion von Stoffen. Diese Stoffe wurden dann als original Harris Tweed verkauft. Bei einem Treffen in Stornoway, der Hauptstadt von Lewis, beschlossen die verantwortlichen Hersteller und Händler, Qualitätsstandards festzulegen und „Harris Tweed“ markenrechtlich schützen zu lassen. Das war im Jahr 1906.

Künftig sollte aller Tweed auf den Inseln Lewis und Harris, Uist und Barra von einer Kommission auf Authentizität geprüft und mit einem Stempel versehen werden. Als Markenzeichen findet sich vom Jahr 1910 an bis heute der Reichsapfel mit Malteser Kreuz, englisch Orb with Maltese Cross.

Der sogenannte „Harris Tweed Act“ legte in seiner Satzung fest, dass als Harris Tweed nur Stoffe bezeichnet werden dürfen, die auf den Inseln der Äußeren Hebriden von Hand gesponnen und von Hand gewoben wurden. Und zwar von den Bewohnern der Inseln in ihren Häusern. 1934 wurde die Satzung dahingehend geändert, dass Garne für den Stoff auch maschinell gesponnen werden können.

5.0.2

Der „Harris Tweed Act“ aus dem Jahr 1993, so wie er noch heute Gültigkeit hat, lautet wie folgt: Harris Tweed is cloth that has been handwoven by the islanders of Lewis, Harris, Uist and Barra in their homes, using pure virgin wool that has been dyed and spun in the Outer Hebrides.

Tweed is back – von Tradition zu Trend

Die Produktion von Harris-Tweed erreichte ihren Gipfel im Jahr 1966, als fast sieben Millionen Meter Stoff auf den Inseln mit der Hauptproduktion in Lewis für den Weltmarkt angefertigt wurden. Heute muss sich Harris Tweed mit neuen Strategien den aktuellen Marktverhältnissen anpassen, doch auch jetzt ist ein Funke Hoffnung in Sicht. Mit dem wiedererwachten Bewusstsein der Konsumenten für Qualität und der Bereitschaft, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen, findet auch Tweed wieder Liebhaber. Designer entdecken den Tweed für ihre Kollektionen und machen ihn für junge Leute zum Fashionobjekt.

Stricken mit Tweed

Bei Tweedgarnen handelt es sich um sogenanntes Streichgarn, das heißt, die Fasern werden mehrmals kardiert, aber nicht gekämmt und nur locker gezwirnt. Streichgarne sind kurzfaserig, voluminös, weich und mit unregelmäßiger Struktur. Die Fasern liegen nicht parallel, sondern kreuzweise zueinander. Die charakteristischen Noppen bestehen aus gefärbter, angefilzter Wolle und werden vor dem Spinnen dem kardierten Garn zugefügt.

Strick aus Tweedgarnen sollte, um ein Filzen zu vermeiden, von Hand in lauwarmem Wasser gewaschen werden.

Aber auch gefilzt kommt der typische Charakter der Garne hervorragend zur Geltung, da sich die Noppen während des Filzens nach oben drücken und auf der Oberfläche des gefilzten Teils liegen.

Vorheriger Beitrag
NÄCHSTER BEITRAG